Tag 18 – Puerto Plata II

Um uns unsere Entspannung nicht im letzten Moment noch rauben zu lassen, beschliessen wir an diesem Tag nach Puerto Plata zum Shoppen zu fahren. Als wir uns gegen 9:30 auf den Weg zum Gate machen, rumort es wieder wie schon seit Tagen in meinem Magen – der Durchfall wird immer schlimmer. Nach zwei Kilometern ist klar: Ich brauch dringend ein Örtchen, ein Bano. Da keins aufzutreiben ist, machen wir uns fix auf den Weg zurück zum Hotel, wo ich wirklich in letzter Sekunde ankomme. Wir sind fix und fertig, wollen aber unbedingt nochmal nach PTO und so kaufen wir in einem der Hotelläden Immodium für 10 Euro. Sofort eine genommen und eine halbe Stunde gewartet, dann machen wir uns erneut auf den Weg zum Gate, wo wir diesmal auch ankommen. Dank dem dominikanischen Schritt, den wir uns mittlerweile angewöhnt haben, sind wir nicht mal naßgeschwitzt.

Wir steigen in das wartende Guagua und das setzt sich auch bald in Bewegung. Es ist ein schöner Tag heute, sogar die Sonne ist da. Auf halber Strecke steigen zwei Dominikanerinen in dern ansonsten leeren Kleinbus. Die erste setzt sich in die Reihe vor uns, die zweite jedoch, hat es auf mich abgesehen. Mit ihrem wirklich fetten Arsch zwängt sie sich grinsend zu uns in die Reihe, obwohl doch alles frei ist. Ich denke mir nichts dabei, vielleicht will sie nur den Gringo etwas auf die Schippe nehmen. Ihr Arsch hängt halb auf meiner Hüfte und sie stellt zu allem Überfluß auch noch die Tasche auf unsere beiden Beine. Ich sitze wie der Affe auf dem Schleifstein, mit halb angewinkelten Beinen in der ohnehin für mich viel zu kleinen Sitzreihe.

Die Dame neben mir fängt an zu fuchteln, wedelt mit ihren Hemdkragen und erzählt was von “callol, callol”. Sie deutet auf das Fenster und will, dass wir es aufmachen. Das Fenster auf das sie zeigt, ist starr, es läßt sich gar nicht öffnen. Ich versuche ihr das klar zu machen, aber sie will nicht verstehen. Kein Wunder, ist sie doch gerade dabei, mir rund 40 Euro in verschiedenen Währungen aus meiner Beintasche zu stehlen. Sie ist eine Taschendiebin. Das bemerke ich aber viel zu spät, lange nachdem sie das Guagua schon verlassen hat. Wie sie mit ihren Wurstfingern meine straff auf dem Oberschenkel gespannte und mit einem Klettverschluß verschlossene Tasche ausgeräumt hat, bleibt mir und auch Tina bis heute ein Rätsel. Das fette Dreckstück muß ein absoluter Taschendiebprofi sein. Als wir in der Nähe des Parque Central aussteigen, bemerke ich den Diebstahl. Ein Schlepper quatscht uns gerade an, als ich in meine Hose lange. Ich erkläre Tina die Fakten und fluche wie ein Höllenhund. Gut nur, dass ich mein Geld immer auf verschiedene Taschen verteile. Sie hat also nur mein “Handgeld” erwischt, die rund 206 Dollar fürs Shopping habe ich noch in petto. Das muß der Schlepper aber nicht wissen und so sage ich ihm, dass die “muy grande senoria” mir mein gesamtes Geld abgenommen hat. Wir sind also uninteressant für ihn und er läßt uns sofort ziehen. Auch nicht schlecht….

Wir machen uns wieder auf den Weg durch das Gewirr von Puerto Plata. Diesmal ist es nicht ganz so unangenehm schwül wie bei unseren ersten Besuch, trotzdem bin ich froh als wir nach etwas Orientierungsproblemen endlich den Laden von Jimenez betreten. Das T-Shirt, auf das ich es abgesehen habe, gibt es zwar in Größe XL – allerdings Zwergpygmäen-XL und als sich dann noch herausstellt, dass die ganzen Herrenjeans nur mit Reißverschluß zu haben sind, fällt meine Laune kurz in den Keller. Dennoch finden wir zwei schöne T-Shirts und machen uns ins Untergeschoß, um Tina einzukleiden. Die Hosenabteilung ist für Besucher kaum zu überblicken und wir kennen die Größen nicht. Also spreche ich eine kleine Verkäuferin an und bitte sie uns zu helfen. Ich zeige auf Tina und werde gefragt “Que Nummero”, welche Größe. Ich zucke mit den Achseln und zeige erneut auf Tinas Unterbau. Die Verkäuferin mustert Tina und gibt ihr eine Hose aus dem Regal, die Tina anprobiert. Eine Nummer zu weit, aber trotzdem nahe dran. So kommen wir auch schnell hinter das Rätsel, wie Dominikanerinnen ihre wuchtigen Hinterteile in die scheinbar passenden Hosen kriegen: Gürtel heißt die Lösung. Tina entscheidet sich mangels Auswahl in ihrer Größe 17 für ein Modell und wir bummeln weiter in dem Laden, finden aber nichts mehr, bezahlen schließlich und verlassen das Geschäft. Wir setzen unseren Weg fort in die zweite Filliale von Jimenez, wo wir vergangene Woche bereits waren. Im Gegenteil zum letzten Besuch aber läßt man uns heute vollkommen links liegen, obwohl wieder rund 7 Verkäuferinnen anwesend sind. Da aber auch hier die Hosen wieder nach dem Chaosprinzip in die Regale geordnet sind, verlassen wir das Geschäft ohne etwas zu kaufen. Wir machen uns auf den Rückweg zum Parque Central, d.h. die ganze Straße einfach wieder zurück. Auf dem Weg schauen wir noch in die eine oder andere Boutique und finden in der Tat auch noch eine Hose und ein Shirt für Tina. Als wir vor einem Geschäft rauchend auf den Stufen sitzen und pausieren, kommen zwei kleine Schuhputzerjungen daher. Der eine zeigt auf meine Schuhe und bedeutet, dass er sie gerne putzen würde. Ich schaue auf meine Füße und sehe mein Paar hellbraune Nikes. Sie sind aus Stoff und ich muß schmunzeln. Ich lehne ab, gebe aber jedem der beidem Jungen ein 5-Peso-Stück.

Da Tina ein bestimmtes Modell Ohrringe sucht, die ihr bereits auf dem Herflug an einer Dominikanerin aufgefallen sind, frage ich in einem Laden nach einer guten Möglichkeit, silberne Ohringe zu erstehen. Man verweist uns an einen Supermarkt, den man als Europäer von außen eigentlich gar nicht als solchen erkannt hätte. Trotzdem ist es ein großer Laden und eine sehr interessante Erfahrung. In beinahe jedem Geschäft in Puerto Plata muß man am Eingang seine Tüten und Taschen abgeben und erhält eine Nummer dafür. So auch in diesem Supermarkt. Tatsächlich gibt es gleich in der Nähe des Eingangs eine Verkaufsfläche mit Silberschmuck, die gesuchten Ohrringe sind allerdings nicht dabei. Wir bummeln durch die Textilabteilung und kommen in den Lebensmittelbereich. Das Obst und Gemüse ist von erschreckender Qualität. Wie kann es in einem Land, dass solch tolles Obst und Gemüse hervorbringt nur das mieseste im Supermarkt zu kaufen geben? Noch erschreckender sieht es beim Fleisch aus, das, obwohl in komplett geschlossenen Kühltresen gelagert, irgendwie vergammelt aussieht. In den Ortschaften, die wir auf unserem Ausflug nach Samana passiert hatten, hing das frisch gemetzgerte Fleisch an einem Haken auf dem Bürgersteig, aber das sah immernoch besser aus als das Angebot in diesem Supermarkt. In der Spirituosenabteilung wird es jetzt richtig interessant, wir erfahren zum ersten Mal wirklich, welch überzogene Preise in der Plaza von Playa Dorada verlangt werden. Bestes Beispiel ist das Wundermittel Mama Juana. Ein Beutel der getrockneten Hölzer und Wurzeln ist in der Plaza nicht unter 100 Peso zu bekommen, hier im Supermarkt kostet es dagegen gerade mal 31 Peso. Wir beschliessen also zwei Beutel mitzunehmen, dazu eine günstige Flasche Barcelo Rum und noch etwas zum Trinken, da es draußen heiß ist. Wir bummeln wieder zu Kasse und bezahlen. Sogar in diesem Dritte-Welt-Land steht ein Junge an der Kasse, der einem die Einkäufe in Plastiktüten packt. Wir fragen uns, warum das nur in Deutschland nicht geht. Am Ausgang holen wir unsere restlichen Tüten gegen Vorlage der Nummer wieder ab und treten vor die Tür.

Vor den Läden warten immer Transportanbieter und so werden wir wieder umringt von Leuten, die uns ein Taxi oder Mototaxi anbieten. Tina will diese Ohrringe haben, ohne die fliegt sie nicht heim. Wir machen uns also weiter auf die erfolglose Suche in einem Kaufhaus, das kurz vor dem Parque Central liegt. An der Kirche ist es dann wieder so weit, ein Schlepper mit gelbem Hemd quatscht uns an und fragt auf Englisch was wir suchen würden. “What are you looking for?”. Ich habe es satt angelabert zu werden und stelle mich dumm. “Where are you from?” Ich glotze ihn blöde an und wiederhole scheinbar verloren “From”. Der Typ ist kurz vorm Verzweifeln, da tut er mir leid. Schnell ist die Sache aufgeklärt und wir geben uns als Deutsche zu erkennen. Auf die Frage, ob wir deutsch sprechen sorgt ein “un pocito solamente” eigentlich immer für gute Laune bei den Dominikanern.

Unser neuer Freund stellt sich als Juan vor und ich erkläre ihm, dass wir Ohrringe suchen. Gefundenes Fressen für ihn, er nimmt uns an den Haken und stürmt vorneweg Richtung dem Viertel, was die Leute hier “Market” nennen. Dort gibt es haufenweise Souvenirshops, Zigarrenmanufakturen und Schmuckhändler. Eines haben diese Geschäfte alle gemein: Sie zeichnen ihre Ware nicht aus und so wird man meistens gnadenlos abgezogen. Tina sucht ein paar Ohrringe ganz aus Silber, sie sehen aus wie ein großer Piercingstecker mit einer silbernen Kugel am Ohrloch, die mit einer gebogenen Silberstange mit einer größeren Kugel verbunden ist. So erkläre ich es in dem ersten Geschäft, in das Juan uns schleppt. Dort haben sie nur ein ähnliches Modell mit Larimar anstatt von Silberkugeln. Man will uns natürlich was alternatives andrehen, aber wir lassen durchblicken, dass wir schon die dritte Woche hier sind, genau dieses und nur dieses Paar Ohrringe uns noch fehlt. Was jetzt kommt, könnte man als Shop-Hopping-Marathon bezeichnen – Juan stürmt in so ziemlich jeden Laden des “Marktes” und da er mittlerweile weiß, was genau wir suchen, erklärt er es jeweils auf Spanisch. Es bleibt eine erfolglose Suche, jeder den wir fragen kennt die Ohrringe, aber keiner hat sie im Angebot. Witzig dabei ist, dass wir zeitweise bis zu drei weitere Begleiter hatten, die einfach aus ihren Shops mit uns mitgekommen sind, um Suchen zu helfen. Es nutzt nichts, die Ohrringe sind nicht aufzutreiben und auch Juan wirkt verzweifelt. Er schleppt uns in ein Juweliergeschäft, El Canue. Es handelt sich dabei um einen richtigen Juwelier, die Vitrinenauslagen bieten Diamanten, Gold und Edelsteine. Der Verkäufer versteht, wonach wir suchen. Leider haben sie es nicht verfügbar aber er könne es ja von der hauseigenen Werkstatt herstellen lassen. Ich frage nach dem Kostenpunkt und er verschwindet in der Werkstatt zum Nachfragen. Als er wiederkommt, präsentiert er mir einen Zettel, auf dem steht: 48 Dollar. Ich nenne ihn einen Abzocker und weiter geht unsere Odysee. Juan will nicht aufgeben und die Läden, die er nun ansteuert liegen immer weiter entfernt. Ich habe eine Idee, doch Juan antwortet mir nicht auf die Frage, wo Einheimische ihren Schmuck kaufen. Eigentlich sind wir schon körperlich am Ende, daher sagen wir Juan, dass wir ihm noch genau drei Chancen geben, bis wir uns ein Taxi nehmen. Der letzte Ladenbesitzer will uns die Ohrringe auch fertigen, allerdings meint er, dass unser Modell nur in Gold zu fertigen sei. Ein Witzbold und Abzocker zugleich, das ist sehr selten….

Ich sage Juan, er soll uns ein Taxi klarmachen. Keine Minute später verhandle ich schon mit einem Taxifahrer. 15 Dollar will er für die Fahrt nach Playa Dorada, also die gerademal 5km bis ins Hotel. Ich bin genervt, aber mein Angebot “treciento peso”, also 10 Dollar, gebe ich trotzdem ab. Er akzeptiert und Juan meint, es gebe noch eine letzte Möglichkeit auf dem Weg, einen Laden namens “soleil”. Er will bis dorthin mitfahren und seine letzte Chance wahren. Kaum sitzen wir alle in dem Taxi, meint Juan der Fahrer wäre seine dreihundert Peso wert, aber er selber wäre das gleiche wert. Ich verstehe ihn sofort, den Abzocker, und drücke ihm 300 Peso in die Hand. Das Taxi stoppt halb rechts am Rand. Ich sage Tina, sie solle im Taxi warten und gehe mit Juan in den Laden.

Ein dominikanisches Geschäft mit einer Reihe Schmuckvitrinen an der rechten Wand. Alle Schmuckstücke sind klar mit Preisschild ausgezeichnet, also ist dies einer der Orte an denen ansonsten keine Touristen kommen. Ich schaue in die erste Vitrine und da liegen sie: 4 Paare der Ohrringe, die Tina so dringend haben möchte. 500 Peso steht daran, keine 13 Euro für ein paar silberne Ohrringe also. Ich mache einen Freudensprung und falle sogar Juan in die Arme. Der nutzt die Gelegenheit und macht mich wegen einer Erfolgsprämie an, der Halsabschneider. Da ich ohnehin gerade die 500 Peso für die Ohrringe raushole, drücke ich ihm die kleinen Dollarscheine, drei Stück an der Zahl, in die Hand. Er macht ein langes Gesicht und fängt an zu lamentieren. Ich erkläre ihm, dass er mittlerweile insgesamt 13 Dollar von mir bekommen hat und er solle sich schämen, schließlich würden seine Landsleute auf den Reisfeldern nur 10 Dollar am ganzen Tag verdienen. Außerdem frage ich ihn, ob er denkt, dass in Europa das Geld auf den Bäumen wächst. Während dieser Diskussion hat eine ältere Dame bereits die Ohrringe aus der Vitrine geholt und eingepackt. Ich bezahle mit einem 500 Pesoschein und bedanke mich, bekomme aber mit, dass Juan versucht, eine Kommision für seine Schlepperei von ihr zu kassieren. Die Alte jedoch verweigert sie ihm und so verlasse ich mit einem fluchenden Juan den Laden.

Draußen wartet artig das Taxi und Juan bedeutet Tina, dass wir gefunden hätten, wonach sie suchte. Der Penner, dabei hatte ich ihm kurz vor dem Taxi gesagt, er solle die Klappe halten, damit ich meine Kleine beim Diner mit dem Fund überraschen könne. Vermutlich dachte er, sie würde ihm vor Freude nochmehr Geld geben. Das tat sie aber nicht und so verabschiedete sich Juan von uns. Der Taxifahrer stieg aus und verabschiedete Juan ebenfalls, drückte ihm dabei einen Schein in die Hand. Also auch vom Taxifahrer kassiert dieser Schlepper Kommision. Abzocke ohne Ende. Tina und ich sind froh, als wir endlich alleine in dem Taxi sitzen und sich der Wagen den Weg zum Hotel bahnt. Jetzt merken wir, wie platt wir sind. Das Taxi hält direkt vor dem Hotel, ich gebe dem Fahrer die 10 Dollar und schon stehen wir mit Tüten bepackt an der Bar *grins* Wir brachten den Fang aufs Zimmer, haben nochmal die Beine in den Pool gehängt und haben den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und den Rest des Tages sein heiliges Wasser genossen.

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